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Sociedade da Informação - Benção ou Maldição


Internationale Kommunikation
und Media Networks

Für Profa. Dra. Petra Dorsch-Jungsberger*

Schwerpunkte: Öffentlichkeit und neue Medien, Europa als Kultur- und Kommunikationsraum, Massenunterhaltung, internationale Kommunikation.

Das Wort des Jahres 2003 wird zweifellos "Lüge" sein. Es ist wohl keine Übertreibung, zu behaupten, dass zu keiner Zeit in der Geschichte der Medien das Wort "Lüge" in einer derartigen Massierung aufgetreten ist. Schlagzeilen und Überschriften zu aktuellen politischen Themen und Buchveröffentlichungen sowie die Aufdeckung von erfundenen journalisitischen Berichten zeugen sowohl von einem Überhandnehmen unwahrer Behauptungen und unwahrer Geschichten in den Massenmedien als auch, wie mir scheint, von einem neuen Verhältnis zur Unwahrheit bzw. zur Wahrheit.

Die ungeheuerlichste Beleidigung der Presse habe sich in Kandaharr ereigent als nämlich ein B-52-Bomber drei Soldaten tötete und 19 verwundete, seien die Journalisten, Fotografen des Pressepools in ein Lager ausgesperrt worden, um sie davor zu hindern, mit den Opfern und dem medizinischen Personal zu sprechen. In einem Kommentar in der New York Times mit der Überschrift "Freiheit von der Presse" beklagt Frank Rich, dass die Bush-Regierung nur solche Informationen anbiete, die in ihrem eigenen Interesse sind.

In einem anderen Artikel berichtet Gelinsky uber das Midia-Research-Center, das Medienforschungszentrum, das eigens Beobachter beschäftigt, die aufpassen, was über das Bush-Kabinett und dem Krieg in Afghanistan gesagt und geschrieben wird. Äusserungen, die den politischen Wächtern unkorrekt erscheinen, werden in der Internet-Rubrik "Cyber-Alert" aufgespiesst.

Innerhalb der USA ist es verboten, schwarze Propaganda in den Medien zu verbreiten. Aber nichts kann eine amerikanische Zeitung daran hindern, eine Geschichte, die von einer ausländischen Zeitung publiziert wird, aufzugreifen. Es handelte sich bei dem Propagandazentrum um einen Geheimplan, der jedoch das Licht der Öffentlichkeit erreichte und solange hohe Wellen schlug - auch in der Publizistik - bis US-Verteidigungsminister Rumsfeld den Rückzug antrat. Es war der New York Times und den internationalen Medien zu verdanken, dass dieser Anschlag auf die Pressefreiheit und damit der Propagandakrieg, zumindest offiziell, verhindert wurde.

Bret Baier, dessen Bret Baier-Report auf Fox eine der populärsten Sendungen im amerikanischen Fernsehen ist, verteidigt die o. g. Praxis: Krieg ist die Hölle, Menschen sterben. Wir wissen, wir sind im Krieg. Die Tatsache, dass einige Menschen sterben, ist das eine Nachricht? Ich glaube nicht. Da auch die Zuschauer dieser Überzeugung sind zu jener Zeit, und daher immer häufiger auf den Sender Fox schalten, um die Nachrichten zu verfolgen, konnte sich der Sender zum Superpatrioten hocharbeiten.

Wohl am schonungslosesten rechnete die bekannte amerikanische Autorin und Kritikerin Susan Sonntag im Magazin New Yorker mit ihren Kollegen im Inland und dem Ausland ab. Sie nennt die Berichterstattung selbstgerecht und enttäuschend. Die Reporter gingen damit hausieren und es sei ausserordentlich deprimierend. Sie unterstellt ihnen sogar eine Kampagne, um das Publikum zu infantilisieren.

Nehmen wir die konstruierte Heldin Jessica Lynch: Eine einfache Soldatin, die bei einem Unfall verletzt wurde und in ein irakisches Krankenhaus gebracht wurde. Was machte sie so offenbar zur Heldin? Kein Überlebenskampf unter unerträglichen Bedingungen, kein übermenschlicher Widerstand gegen feindliche Attecken - es waren ihre blonden Haare. Die amerikanische Regierung brauchte gute Nachrichten, dringend. Diese waren damals Mangelware, wie wir alle wissen. Kein Osama Bin Laden, kein Saddam Hussein, keine Schlachten, die Helden hätten hervorbringen können. Aber es gab eine Blondine. Aus der Ökologie und Werbung weiss man, was die Farbe blond im Hinblick auf Aufmerksamkeitswert bedeutet. In sensationsgieriger Weise wurde diese Soldatin in ein Setting von Vergewaltigung und anderer physischer Gewalt verpackt, von denen sich schliesslich herausstellte, dass nichts stimmte. Alles war frei erfunden.

Dankenswerterweise verwiesen - und daher habe auch ich vieles meines Wissens bezogen - Korrespondenten, die in den USA tätig sind, immer wieder in ihren Beiträgen auf die Quellen, so dass jeder Leser die Entstehung des jeweiligen Beitrags, respektive Themen, über diese web-sites und andere Quellen zurückverfolgen kann. So verletzend es für eine demokratische Öffentlichkeit ist, von der oder einer Regierung belogen zu werden, so liegt doch eine grosse Genugtuung in der Erfahrung, dass das Lügen der Regierung schwieriger gemacht wird.

Dieser staatsverantwortliche Journalismus, wie wir ihn in den USA erlebt haben und der an die Stelle des sozial-verantwortlichen Journalismus getreten ist, hat zu einer neuen Sensilibität für Lüge und Wahrheitsverdrängung geführt. Das Internet erweist sich hier als ein Segen. Die Kontrolle der Massenmedien findet in diesem neuen Medium einen Kollaborateur - in einem ganz positiven Sinne -, der sich als funktional erweist. Journalistische Ethik, ein immer schwieriges Geschäft für Journalisten in einer durchkommerzionalisierten Medienwelt, wird durch die genannte web-site substantiell gefördert.

*Profa. Dra. Petra Dorsch-Jungsberger ist Professorin am Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissen-schaft) der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Fala apresentada durante o seminário Sociedade da Informação - Benção ou Maldição (22/11/2003).

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